TV-Kritik: "Wetten, dass..?":Ein Schmatzer von Michelle

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Es war ein Abend der Paare bei Thomas Gottschalk - der mit einem Kuss begann und mit wildem Schulterzucken endete. Alles schien fast wieder beim Alten zu sein bei "Wetten, dass..?". Nur eine nervte. Und zwar alle.

Verena Wolff

Ein bisschen ist es schon wie im Kindergarten auf der hellen Couch, in Thomas Gottschalks medialem Wohnzimmer. Bollen auf den Bollenhut bollern mit dem Traumpaar der Oper, Anna Netrebko und Erwin Schrott. Ein wilder Ritt in einem alten Ford für Anna Loos und Jan Josef Liefers, einem der Traumpaare der deutschen Fernsehunterhaltung. Zwischendurch ein paar Kalauer, die sich Gottschalk, der im Leder-Schwalbenschwanz mit goldverzierter Hose ein bisschen aussah wie ein Zirkusdirektor, einfach nicht verkneifen kann.

"Wetten, dass...?" in Offenburg
:Zeit für Zärtlichkeiten

Annäherungsversuche an einen Autoreifen, leidenschaftliche Umarmungen und eine kleine Knutscherei zwischen Thomas Gottschalk und seiner blonden Co-Moderatorin: Die "Wetten, dass...?"-Sendung stand ganz im Zeichen der Zuneigung.

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Und dazwischen: Immer wieder Désirée Nick, mit einer zu lauten Stimme, zu langen Armen, einer zu schnellen Rechten - und überhaupt mit zu viel. Fast jeder der eingeflogenen Promis saß an diesem Abend neben ihr - und sowohl Whoopi Goldberg als auch Erwin Schrott sahen eher genervt denn "amused" aus ob so viel Wortschwalls, der da aus dem Mund der Entertainerin drängte.

Hugh Laurie, der allseits bekannte, griesgrämige Dr. House, musste die Nähe gar mit körperlichem Schmerz bezahlen: Als er höchstselbst die "Eierwette" ausprobieren wollte - Kandidat Carsten Kühn hatte gewettet, 40 rohe Eier im Becher um 180 Grad umpusten zu können - hielt ihm Nick den Eierbecher hin, um ihm damit im Eifer des Gefechts eine Rechte auf die Nase zu verpassen.

Das war nicht die einzige wilde Nummer an diesem Abend, der als Nachlese der royalen Hochzeit im britischen Königreich begann und zwischen Offenburger Marktplatz und dem Couch-Kindergarten endete. Gottschalk und Co-Moderatorin Michelle Hunziker outeten sich gleich zu Beginn der Sendung als Fans des Königshauses und der großen Show, die in London am Vortag abgezogen wurde. Schmucker Prinz, hübsche Bürgerliche - aber der Kuss. "Thomas, bitte, 1,1 Sekunden - ich habe gestoppt!"

Michelle Hunziker, in langer, petrolfarbener Robe und wie immer mit wallender blonder Mähne, gab sich entsetzt. "Das können wir viel besser."

Sprach's und verwickelte Thomas Gottschalk in einen herzlichen Schmatzer, der tatsächlich mehr Leidenschaft vermuten ließ als das Ultrakurz-Bussi des britischen Thronfolgers, bei dem er seine Braut nicht mal anfasste. Allzu leidenschaftlich durfte die Konkurrenz allerdings nicht ausfallen, "denn es ist ein öffentlich-rechtlicher Kuss", warnte Gottschalk.

Und natürlich musste der Familiensegen bestehen bleiben - der Entertainer ist seit 35 Jahren mit Thea verheiratet. Glücklich, wie er betonte. Ein kleines bisschen geschockt blickte er schon aus der Wäsche nach dem Schmatzer der hübschen Italienerin - und wandte sich sogleich entschuldigend an seine Frau. Michelle Hunziker sah das nicht so eng: "Das gehört zum Job", sagte sie.

Schon das erste Gästepaar sollte Auskunft geben über die Eindrücke aus London: Désirée Nick und Prinz Eduard von Anhalt hatten allerdings nicht allzu viel Zeit, in medias res zu gehen. Einen Korb voll britischem Hochzeitskrimskrams brachten die beiden mit, Gottschalk verpasste sich selbst sofort die Maske der Queen und verlangte nach dem Titel des Ehrenmoderators.

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Man unterhielt sich kurz über das royale Winken, O-Ton Nick: "immer aus dem Handgelenk, niemals Rudern", der Blaublüter klärte die Republik darüber auf, dass es zwischen der Queen und Kate "gar nicht läuft" - und dann war auch schon die erste Wette des Abends angerichtet: Ex-Bauarbeiter Karl versah in Windeseile 20 Besteckstücke aus Edelstahl mit einem Knoten. Hätten Nick und der Prinz ihre Wette verloren, sie hätten mit den verbogenen Kuchengabeln ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte essen müssen. Das allerdings blieb Publikum und Zuschauern erspart.

Leidenschaftlicher als bei William und Kate - aber irgendwie trotzdem sehr brav: Michelle Hunziker und Thomas Gottschalk (Foto: dpa)

Es blieb ein Abend der Paare: Schauspieler Jan Josef Liefers kam an der Seite seiner Frau Anna Loos und deren Band Silly - und sang erstmal, bevor beide auf dem Sofa Platz nahmen. Zu den britischen Royals äußerte er sich lieber nicht - und outete sich als Heiratsmuffel. So ganz genau kann er sich nicht daran erinnern, wann er mit Anna Loos den Bund der Ehe geschlossen hat - aber immerhin weiß er seinen Geburtstag.

Das ist praktisch, als er sich zu fortgeschrittener Stunde bei der Netrebko darüber beschwerte, dass die Karten für die Salzburger Festspiele so sündhaft teuer sind und Gastgeber Gottschalk sogleich ein Treffen aller in Österreich arrangierte. Am 8. August, Liefers' Geburtstag. Das wird er sich wohl merken können.

Ob das, was Wettkandidat Marco Böhm in den folgenden Minuten mit den unbedarften Reifen verschiedener Hersteller veranstaltete, allerdings jugendfrei ist - man weiß es nicht. Er wollte die Pneus anhand des Geschmacks auseinanderhalten und beleckte sie von allen Seiten. Richtig schön anzuschauen war das nicht - und er verschätzte sich noch dazu. Auch Gottschalk züngelte kurz am Gummi - und stellte trocken fest: "Das ist, als würde man Cher küssen."

Wie sich die frischgebackene Herzogin von Cambridge wohl so anfühlt, darüber spekulierte Gottschalk lieber nicht - sehr zur Freude von Hollywood-Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Whoopi Goldberg. Die nämlich konnte mit der Prinzen-Show in London offensichtlich nichts anfangen - genauso wenig wie mit der großen, sehr blonden und sehr lauten Frau im grauen Kostüm neben sich, die ausführlich erzählte, sie sei beinahe Nonne geworden.

Whoopi fiel vor Überraschung fast von der Couch - vor allem, als Désirée Nick anhob, über die Vorzüge des Klosters zu berichten: "Nonne zu werden ist eine echte Alternative - kein Friseur, kein Schuhtick."

"Wetten, dass...?" in Offenburg
:Zeit für Zärtlichkeiten

Annäherungsversuche an einen Autoreifen, leidenschaftliche Umarmungen und eine kleine Knutscherei zwischen Thomas Gottschalk und seiner blonden Co-Moderatorin: Die "Wetten, dass...?"-Sendung stand ganz im Zeichen der Zuneigung.

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Whoopi Goldberg schaffte in Gottschalks Sendung in kürzester Zeit einiges: Die Hollywood-Schauspielerin unterstützte die Schülerinnen, die wetteten, Zahnpastasorten erfühlen zu können, nach bestem Gewissen - und Thomas Gottschalk rang sie ab, beim Musical Sister Act in einer Vorstellung den Papst zu geben. Gesagt getan - eingeschwebt, eine halbe Stunde geblieben, Werbung gemacht, auf Wiedersehen.

Dr. House stand noch auf dem Programm und das Opern-Traumpaar - alle recht musikalisch, Schrott gab einen Tango zum Besten und Hugh Laurie beeindruckte als Blues-Sänger. Und als äußerst charmanter Typ mit funkelnden blauen Augen. Netrebko machte zum Schluss eine halbwegs gute Miene zum bösen Boller-Spiel - immerhin musste sie bei diesem Gottschalk-Besuch nicht mit dem Moderator singen.

Und sie und ihr Partner Schrott hatten sich selbst hineinmanövriert in die verlorene Wette - denn während er glaubte, Julia Thiele könnte am Schulterzucken ihres Freundes Malte Poppinga Musikstücke erkennen, gab sie den beiden keine Chance. Also war schon vorher klar, dass es bollern würde.

Die Show in Offenburg war die 195. und damit letzte reguläre Gottschalk-Ausgabe. Am 18. Juni moderiert der Entertainer noch eine Sommer-Ausgabe aus Palma de Mallorca, dann wird ein neuer Moderator auf die Couch bitten.

Irgendwie war es in dieser Sendung aus der Baden-Arena so wie immer in den vergangenen Jahren bei Wetten, dass...?: ein bisschen Hollywood, ein bisschen Weltgeschehen, ein bisschen Unterhaltung, ein paar ganz gute Live-Acts. Kein Robbie Williams und kein Justin Bieber, die die Damen- bzw. Mädchenwelt zum Kreischen bringen. Keine Superstars, sondern solides Handwerk. Und endlich mal wieder eine Show, in der auch Platz für Seichtes und den gelegentlichen Kalauer war.

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